Die Frage, was ein Wiesn-Wirt während des Oktoberfestes verdient, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Viele Menschen in München glauben, dass die Wirte in nur wenigen Wochen ein Vermögen anhäufen. Diese weit verbreitete Meinung wird durch verschiedene Mythen und Spekulationen genährt. Tatsächlich ist das finanzielle Bild jedoch komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.
Die Realität der Wiesn-Gastronomie
Um das Oktoberfest zu leiten, müssen Gastronomen eine Vielzahl von Herausforderungen meistern. Ein Zelt auf der Wiesn ist nicht einfach eine Gelddruckmaschine. Stattdessen handelt es sich um einen regulären gastronomischen Betrieb. Die Preisgestaltung für Speisen und Getränke erfolgt nach einem genauen Kalkulationsschema:
- Warenkosten: Rund 40 % der Gesamtausgaben entfallen auf Lebensmittel, die für die Zubereitung der Gerichte notwendig sind.
- Gemeinkosten: Diese machen etwa ein Drittel der Ausgaben aus und beinhalten Pacht, Miete, Strom sowie Wasser.
- Gewinnmarge: Ein gewisser Anteil, der in der Regel bei 20 % liegt, wird für den gewünschten Gewinn eingeplant.
Diese Grundkosten werden dann um die Personalkosten ergänzt, die ebenfalls einen signifikanten Teil ausmachen. Bei großen Zeltbetrieben kann dies bis zu 20 % der Gesamtausgaben betragen. Auch die Mehrwertsteuer kommt hinzu, was die Kalkulation noch verkompliziert.
Die Mythen um die Wiesn-Wirte
In den Bierzelten wird viel über die enormen Gewinne der Wirte spekuliert. Die Vorstellung, dass ein Wiesnwirt in 16 Tagen zum Millionär werden kann, ist weit verbreitet. Manche glauben sogar, dass die Einnahmen so hoch sind, dass sie sich mit einem luxuriös ausgestatteten Eigenheim in Münchens beliebten Stadtteilen wie Haidhausen vergleichen lassen. Doch wie realistisch sind diese Annahmen?
Der Fall des prominenten Wirts Sepp Krätz, der wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, hat das Licht auf die Umsätze geworfen, die in einem Wiesn-Zelt generiert werden. Während seines Prozesses gab er an, dass er im Jahr 2013 etwa 3,1 Millionen Euro erzielte. Nach Abzug aller Kosten blieben ihm rund 1,5 Millionen Euro netto. Dies gibt einen Einblick in die möglichen Einnahmen, jedoch ist jeder Wirt und jedes Zelt unterschiedlich.
Kosten, die die Gewinne schmälern
Trotz der hohen Umsätze müssen die Wirte zahlreiche Kosten tragen:
- Aufbau- und Abbaukosten: Diese belaufen sich auf 1,5 bis 2 Millionen Euro pro Zelt, da die Konstruktion jedes Jahr abgebaut und erneut aufgebaut werden muss.
- Sicherheitskosten: Für große Zelte können diese bis zu 400.000 Euro betragen, da viele Sicherheitskräfte benötigt werden.
- Musik und Unterhaltung: Die Kosten für Bands und Unterhaltung können leicht 150.000 Euro überschreiten.
- Reinigungsdienste: Diese belaufen sich auf etwa 60.000 Euro pro Wiesn.
Zusätzlich müssen die Wirte auch die Umsatzpacht an die Stadt München zahlen, die in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist. Diese Pacht wird als Prozentsatz des Umsatzes berechnet und wurde 2017 eingeführt, um die Kosten für Sicherheit und Infrastruktur zu decken.
Was bleibt nach Abzug aller Kosten?
Die Frage, wie viel Geld tatsächlich übrig bleibt, ist schwierig zu beantworten. Viele Wirte berichten, dass der Gewinn, je nach Größe des Zeltes und der Auslastung, zwischen 10 und 15 % des Umsatzes liegen kann. Dies bedeutet, dass ein Wirt eines großen Zeltes mit einem Umsatz von etwa 10 Millionen Euro möglicherweise nur 1,5 Millionen Euro Gewinn erzielen kann. Zwar sind die Zahlen nicht ganz so faszinierend wie die Mythen es vermuten lassen, doch bei einer guten Wiesn können die Gewinne immer noch beachtlich sein.
Der Einfluss der Brauereien
Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Brauereien. Viele Wirte haben Verträge mit bestimmten Brauereien, die entweder die Kosten für den Aufbau des Zeltes oder die Lagerung übernehmen. Dies kann die finanziellen Belastungen der Wirte erheblich reduzieren. Zusätzlich bieten Brauereien oft Freibier für Mitarbeiter und Partner an, was ebenfalls einen wirtschaftlichen Vorteil bedeutet.
Die Rolle der Bedienungen
Bedienungen auf der Wiesn arbeiten oft als freie Unternehmer. Sie kaufen die Speisen und Getränke vom Wirt und erhalten dafür eine Provision von etwa 12 % vom Nettopreis. Dies stellt sicher, dass die Bedienungen motiviert sind, hohe Verkaufszahlen zu erzielen, und gleichzeitig profitieren die Wirte von einer engagierten Belegschaft.
Insgesamt zeigt sich, dass die Einkünfte der Wiesn-Wirte ein komplexes Thema sind, das mehr ist als nur die einfache Rechnung von Umsatz minus Kosten. Die Realität, in der sich die Wirte bewegen, ist geprägt von hohen Ausgaben, variierenden Gewinnen und dem ständigen Druck, die Kosten im Griff zu behalten, während sie gleichzeitig ein unvergessliches Erlebnis für die Besucher schaffen.
Die Wiesn bleibt ein Ort der Spekulation und der Mythen. Doch hinter den Kulissen arbeiten die Wirte hart, um ihren Gästen das Beste zu bieten. Auch wenn der Preis für eine Maß Bier kontinuierlich steigt, bleibt das Oktoberfest eine der beliebtesten Veranstaltungen in München und zieht jedes Jahr Millionen von Besuchern an.
Für weitere Informationen über das Oktoberfest und die besten Tipps, wie man sich auf der Wiesn zurechtfindet, besuchen Sie diesen Artikel.